Aktuell zähle ich 313 PropTech-Unternehmen in der DACH-Region. Aber was genau tun sie eigentlich? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch mein heutiger Gesprächspartner, Nikolas Samios, Managing Partner von Proptech1 Ventures. Er verrät mir im Gespräch, worauf die Fonds-Manager bei ihren Investments achten, weshalb die Immobilien-Branche nicht nur bei der Digitalisierung aufzuholen hat und was etablierte Player von Unternehmen wie Axel Springer, die erfolgreich auf die digitale Transformation reagiert haben, lernen können.
Mit PropTech1 verbindet ihr Venture Capital Investments mit einem Netzwerk von Immobilienprofis und -experten. Welche Vorteile entstehen dadurch für PropTech-Gründerinnen und -Gründer?
Wir haben bei der Konzeption des VC-Fonds besonderen Wert darauf gelegt, dass unsere Managing Partner, Venture Partner und Mit-Investoren nicht nur reine Kapitalgeber sind, sondern auch weiteren Mehrwert einbringen. Diesen können die Startups nutzen, müssen sie aber nicht. Die Immobilienunternehmer und -unternehmen bringen unseren PropTech-Portfoliounternehmen Zugang zu Kunden, ein erweitertes Netzwerk in die Branche und große Gebäudeportfolios, in denen deren Lösungen eingesetzt werden können. Dazu gehören mit der Aareal Bank Gruppe und der Berlin Hyp zwei der größten Immobilienbanken. Aber auch große Mittelständler wie beispielsweise die Pandion Gruppe und Accentro oder zahlreiche Immobilienunternehmer wie Daniel Liebig (CEO der Magna Real Estate AG), Prof. Stephan Bone-Winkel (Gründer von BEOS) oder auch Robin Behlau (Gründer/CEO von Aroundhome) sind dabei. Serienunternehmer wie Christian Vollmann und Jan Henric Buettner befinden sich ebenfalls unter unseren Partnern. Sie haben schon unzählige Unternehmen selbst aufgebaut und können ein Lied von all den Stolpersteinen singen, die einem jungen Unternehmen auf dem Weg begegnen. Daher können sie auch in schwierigen Situationen als Sparringspartner für unsere PropTech-Unternehmer weiterhelfen. Zu guter Letzt haben wir noch Venture-Experten, die schon an Hunderten von Deals beteiligt waren und daher die Strukturierung von Finanzierungsrunden übernehmen und neue Investoren für die PropTech-Startups begeistern können.
Welche Unternehmen werden aktuell von euch betreut? Wie habt ihr die Auswahl getroffen, dass genau diese ins Portfolio von PropTech1 Ventures passen?
Wir sprechen ungern von „betreuen“, da wir kein Company Builder oder Accelerator sind. Wir suchen die besten Gründerteams, die eben keiner ständigen Betreuung bedürfen, sondern uns im besten Fall von der Seitenlinie aus zuschauen lassen, während sie das Spiel gewinnen. Natürlich gibt es aber viele Gelegenheiten, bei denen ein VC-Investor Mehrwerte schaffen kann, wie schon erwähnt. Vom Grundsatz her nehmen wir aber immer maximal auf dem Beifahrersitz, noch lieber – bei reiferen Teams – auf dem Rücksitz, Platz. Im Gegensatz zu strategischen Investoren haben wir nicht das Motiv, ständig mitzusprechen und zu kontrollieren.
Investiert haben wir bisher in Simplifa, einen digitalen Property Manager für Aufzüge, Inpera, eine digitale Beschaffungsplattform für Bau-Materialien, Seniovo, eine One-Stop-Lösung für barrierefreien Umbau von Eigenheimen, das Datenanalyse-PropTech Archilyse und Architrave, eine Plattform für digitales Immobilienmanagement. Kürzlich kam auch der Housing-as-a-Service-Anbieter Wunderflats hinzu.
Alle unsere Investments haben wir Venture-Capital-typisch analysiert: Zunächst einmal überzeugen wir uns von einer ausreichenden Marktgröße für das jeweilige Geschäftsmodell, analysieren die Wettbewerbsdichte und schauen entsprechend, ob es aus Perspektive der Wachstumsaussichten überhaupt für ein VC-Investment in Frage kommt. Als Nächstes schauen wir uns die bislang erzielte Traktion, das Produkt, den Vertrieb und natürlich das Gründerteam an. Denn mit dem steht und fällt einfach alles. Sollten die Ergebnisse positiv ausfallen und wir uns mit dem Startup auf eine Unternehmensbewertung und die typischen Konditionen der Beteiligungsverträge einigen können, investieren wir. Gerne auch mit Co-Investoren in mehrwertigen Konsortien. Im Anschluss versuchen wir möglichst nahtlos, von der Prüfung zur hilfreichen Mitwirkung als aktiver Gesellschafter oder Beirat zu wechseln.
Für eure Investments ist selbstverständlich genaue Due Diligence notwendig. Wie häufig kommt es vor, dass ihr nach eingehender Prüfung doch Abstand von einem Unternehmen nehmt? Aus welchen Gründen kann ein Deal so spät noch platzen?
Das kommt im professionellen Venture-Capital-Bereich eher selten vor. Etwa in einem von zehn Fällen. Das liegt daran, dass einer Due Diligence bereits sinnvollerweise viel Arbeit vorausgegangen ist und in einem Term Sheet alle wesentlichen Aspekte der Transaktion festgeschrieben wurden. Die anschließende Due Diligence soll insofern vor allem der Aufdeckung von bisher verborgenen Risiken dienen und nicht mehr der grundsätzlichen Entscheidungsfindung an sich. Wenn also das Startup bisher transparent kommuniziert hat, sollte eine Due Diligence keinen Abbruchgrund liefern.
Bei PropTech1 hatten wir bis heute tatsächlich nur einen einzigen Fall, in dem eine technische Due Diligence ein vorher nicht bekanntes, handfestes Risiko bei einem Hardware-Produkt aufgedeckt hat. Diese Probleme wurden dann zwar in den Folgemonaten vom Team behoben. Dennoch hatte es zu dem damaligen Zeitpunkt in Summe die Risikoeinschätzung für uns ins Negative kippen lassen, unter anderem durch verlängertes Time-to-Market und weiteren Kapitalbedarf.
In unserer Analyse zu unserem Dealflow 2018 haben wir auch die häufigsten Gründe aufgelistet, aus denen Investments bereits vor einer Due Diligence abgelehnt wurden.
Die PropTech-Szene ist äußerst breit gefächert. Als VC-Fonds, welche Entwicklungen im PropTech-Sektor seht ihr als besonders aussichtsreich an? Welche Problemlösungen müssten noch einmal überdacht werden?
Wir sehen uns bewusst die ganze Immobilien-Wertschöpfungskette von Konzeption, Finanzierung, Bau, Verkauf/Vermietung, Betrieb, Kommunikation mit dem Mieter bis zur Digitalisierung der Gebäude, und vielem mehr an. Auch hierzu gibt es Einiges in der schon erwähnten Dealflow-Statistik zu lesen. Es gibt nach unserer Überzeugung in allen Bereichen der Immobilienwirtschaft substanzielle Potentiale. Und das nicht nur rein durch Digitalisierung, auch mit Innovationen am Geschäftsmodell, State-of-the-Art Branding und Marketing, moderner Kundenorientierung und User Experience kann gepunktet werden.
Schauen wir einmal in die Zukunft: Wie wird PropTech die traditionelle Immobilienbranche in den kommenden Jahren verändern? Wie unterstützt PropTech1 die digitalen Herausforderer bei dieser Transformation?
Technologien und Lösungen, aber auch neue Regulierungen, werden alle Bereiche der Wertschöpfungskette und damit auch unser tägliches Lebens mehr oder weniger einschneidend verändern. Immobilien sind ja nicht nur Finanzassets, sondern wir halten uns alle die meiste Zeit unseres Lebens in ihnen auf. Es gilt also – wie historisch schon häufiger vorgekommen – von der sich beschleunigenden Veränderung zu profitieren und nicht „unter die Räder“ des unaufhaltsamen Change-Zuges zu kommen.
Jeder etablierte Anbieter innerhalb der Immobilienbranche, völlig egal ob Immobilienentwickler, Asset Manager, Bestandshalter, Makler, Bank oder Facility Manager, muss sich insofern nun selbst fragen, ob er zu den Change-Gewinnern oder -Verlierern gehören möchte. Oder er wird sich die Frage später von seinen Stakeholdern gefallen lassen müssen.
Die Immobilienbranche kann dabei auch von anderen Branchen lernen, die schon seit 5 – 10 Jahren in der digitalen Transformation stecken: der Handel durch E-Commerce, die Medienbranche durch Online- und Streaming-Angebote oder Banken durch FinTechs. Sicherlich ist nicht alles 1:1 übertragbar, aber Real Estate ist eben nicht die erste Branche, die vor einer großen Veränderung steht.
Schaut man sich die Change-Gewinner in anderen Branchen an, fällt auf, dass diese oftmals frühzeitig eine systematische Zusammenarbeit mit Startups aufgebaut haben. Man denke etwa an Axel Springer – früher ein reiner Zeitungsverlag, ist es heute ein hochprofitables Digital-Unternehmen. Springer hält sowohl direkte Startup-Minderheits- und Mehrheitsinvestments, ist aber auch, durch Lakestar und Project A als Ankerinvestoren, indirekt investiert. Exakt diesen Baustein bieten wir auch unseren Gesellschaftern. Und damit hoffentlich nicht nur eine attraktive Finanzrendite, sondern auch konkrete Mehrwerte für ihre eigenen digitalen Transformationen.
Vielen Dank für das ausführliche Gespräch, Nikolas.
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